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Woher wissen wir, was richtig und was falsch ist? Was ist die natürliche Grundlage für unsere Gewissen? Weshalb wissen wir instinktiv, wenn wir falsch behandelt werden oder es selbst mit anderen tun? Warum ist uns klar, dass Hasskommentare im Netz falsch sind? Was ist mit den Menschen passiert, die ihren Hass derartig ausdrücken? Was ist mit deren Menschlichkeit passiert? In diesem Artikel geht es um unseren natürlichen eingebauten Kompass, wie er kaputt gehen kann und wie wir ihn wieder reparieren.

Unsere Grunderfahrungen

Das Leben von uns Menschen beginnt im Bauch der Mutter. Wir sind in diesen neun Monaten ausschließlich mit Wachstum beschäftigt, in inniger Verbindung mit der Mutter, mit der wir körperlich buchstäblich eins sind. Daraus ergeben sich zwei Grunderfahrungen, die wir ganz zu Anfang machen und daher tief in uns verankert sind. Diese Grunderfahrungen sind Verbundenheit und Wachstum.

Diese bleiben für uns auch nach der Geburt absoluter Maßstab. Das Neugeborene braucht unbedingt unmittelbar nach der Geburt den körperlichen Kontakt zur Mutter und sollte auch von ihr gestillt werden. Dadurch werden diese Grunderfahrungen auch für die Welt außerhalb der Mutter nach der Geburt erhalten. Der oder dem Kleinen bleibt sein Urvertrauen erhalten: Es macht die Erfahrung, ich bin gewollt, ich werde genährt, ich bin verbunden, ich kann wachsen und meine Wesen entfalten. Das ist die wichtigste Aufgabe für die Eltern: das Gefühl der bedingungslosen Annahme zu vermitteln und es mit dem zu versorgen, was es braucht.

Urvertrauen

Menschen, die unter diesen Bedingungen groß werden, behalten ihr Vertrauen in die Welt und die Menschen. Sie wachsen in einer Welt auf, in der sie sein können, wer und wie sie sind. Ihre Welt versorgt sie mit allem, was sie brauchen. Verbundenheit und Wachstum sind aufgrund dieser Grunderfahrung für kleine Kinder nicht nur ein Selbstverständnis, sondern sie gehen auch davon aus, dass dies auch für andere gilt. Daher sind Kinder von Anfang an empathische, hilfsbereite, lernbegierige, vertrauensvolle und mit Selbstvertrauen ausgestattete Wesen. Sie brauchen daher nur Schutz gegen Gefahren, die Sie nicht einschätzen oder kennen können und den Raum sich selbst zu erproben und  zu erfahren.

So entstehen gesunde, selbstbewusste Menschen, die nicht zu manipulieren sind. Sie gehen ihren Weg und werden von anderen Menschen meist sehr geschätzt. Sie treten ganz natürlich in Verbindung mit anderen und mögen einen lebendigen Austausch. Eine natürliche Intelligenz ist ihnen zu Eigen und sie wählen einen Lebensweg, der Sie erfüllt. Bedeutung ist ihnen nicht wichtig, da sie Bedeutung in sich selbst finden. Materieller Wert ist nicht so wichtig, da sie um ihren Wert wissen. Macht und Kontrolle sind ihnen egal, da sie niemanden zu beherrschen brauchen, um einen inneren Mangel zu bekämpfen.

Würde und Integrität

Doch leider wachsen wir nicht in einer idealen Welt mit idealen Menschen auf. Und trotzdem trägt jeder diesen inneren Kompass tief in sich, der nie verloren geht und der anzeigt, wenn unsere Grundideale von Verbundenheit und Wachstum verletzt werden. Der Neurobiologe Gerald Hüther nennt das Bewusstsein um diese Grunderfahrungen „Würde“. Diese Bezeichnung finde ich sehr passend und es lohnt sich länger darüber nachzudenken. Noch besser gefällt mir die Bezeichnung „Integrität“. Das Wort kommt vom lateinischen „integritas“, was unversehrt, intakt beziehungsweise vollständig bedeutet.

Wir merken sofort, wenn andere versuchen unsere Integrität zu verletzt wird oder wenn wir es selbst tun. Wir fühlen uns nicht gut. Wir nennen das Gewissen. Kinder spüren ganz genau, wenn etwas nicht stimmt. Wenn sie manipuliert werden, wenn sie einen Übergriff erfahren, wenn Verhalten anderer inkongruent ist oder wenn Sie etwas tun sollen, dass ihrer Integrität widerspricht. Doch aus ihrer Unerfahrenheit heraus glauben sie natürlich eher denen, von denen sie abhängig sind, als sich selbst. So geschieht es, dass sie die Verletzung ihre Integrität akzeptieren, sie sich an die Umgebung anpassen und dass andere Menschen ihre eigene Integrität verletzen. Wer die Integrität anderer verletzt, tut dies gleichzeitig mit seiner eigenen. Kleine Kinder lernen dies aufgrund ihrer Vorbilder als normal anzusehen.

Es ist normal, gegen die menschliche Natur zu handeln

Der menschlichen Natur liegen Verbundenheit und Wachstum zu Grunde. Allzu oft verstoßen wir gegen diese inhärenten Bedürfnisse. Kinder werden sehr oft als Objekte behandelt. Dabei bleibt ihre Subjektivität auf der Strecke, das heißt, ihre Bedürfnisse, Einzigartigkeit und ihr tatsächliches Wesen wird übersehen oder ignoriert. Sie erfüllen einen Zweck. Beispielsweise, wenn sie als das Kinder-Projekt ihrer Eltern missbraucht werden, sie also für die Eltern diese Funktion erfüllen sollen. Sie sollen gut in der Schule sein oder die unerfüllten Träume der Eltern leben.

Unser Schulsystem ist ebenfalls so angelegt, dass es Kinder zu Objekten macht. Es geht nicht um sie, sondern letztlich darum, dass sie mittels Beurteilung an unsere (nicht ideale) Gesellschaft angepasst und „erfolgreich“ werden. Auch der Kommerz macht Menschen zu Objekten, nämlich zu Verbrauchern. Deswegen mag niemand, wenn er nicht allzu vermurkst ist, Werbung.

So ergibt es sich, dass auch viele Paar-Beziehungen Objekt-Objekt-Beziehungen sind. Wir sind gewohnt andere Menschen als Funktionserfüller anzusehen. Der Partner wird erwählt, um eigene Bedürfnisse zu stillen. Zum Beispiel um sich selbst aufzuwerten, das Gefühl des Alleinseins zu vertreiben oder um Halt zu finden. (Hier und hier gibt es Artikel, mit denen Du Deine Beziehung verbessern kannst.) Auch im Berufsleben geht es fast nie um die Menschen, sondern um die Funktion, die sie erfüllen. Dieses generalisierte Phänomen zieht sich durch alle Lebensbereiche.

Ein Objekt zu sein, ist eine extreme Abwertung für einen Menschen. Werden sie so behandelt, wird in ihrem Gehirn derselbe Bereich aktiviert, über den auch körperliche Schmerzen wahrgenommen werden. (In diesem Artikel schreibe ich über Entwicklungstraumata.) Es ist normal, dass wir nicht als das Wesen gesehen werden, das wir sind mit unseren Bedürfnissen, sondern in unserer Funktion für die anderen und welchen Nutzen wir ihnen bringen. Und natürlich behandeln wir, aus dieser Erfahrung heraus, auch andere so. Das ist das Grundproblem unserer Gesellschaft. Allein das Wissen hierum könnte schon viel zum Positiven verändern und beim Einzelnen ein Umdenken bewirken. Und viele Schmerzen vermeiden.

Woher der Hass kommt

Nun ist es leicht zu erklären, woher der Hass im Internet, gegen Migranten oder gegen Andersdenkende kommt. Menschen machen Menschen zu Objekten. Hater sehen nicht das Subjekt, das individuelle, einzigartige Wesen, sondern etwas, das in ihnen scheinbar schlechte Gefühle erzeugt. Dabei ist nicht der andere der Grund für ihre schlechten Gefühle, sondern die Verletzung Ihrer Integrität, die sie selbst in der Vergangenheit erfahren haben. Sie selbst wurden zu Objekten gemacht und diesen Schmerz projizieren sie in Form von Hass auf andere. Dabei geben sie ihre Verletzung an andere weiter. Sie erfahren eine scheinbare Erleichterung und Aufwertung.

Wer solche Tendenzen, egal ob sie schwach oder stark ausgeprägt sind, in sich selbst wahrnimmt, kann sich leicht von ihnen lösen, indem er seine Schmerzen konfrontiert und auflöst. So wird das Leben leichter, freudiger, bunter und freier. Dafür hat jeder selbst die Verantwortung. Es gibt keinen anderen Menschen, der Dich nerven, ärgern, verletzen oder hassen kann, wenn Du integer bist, wenn Du ganz, unversehrt, vollständig bist.

Der „integre Imperativ“

Deswegen denke und handele immer so, dass weder Dein Gefühl von Verbundenheit, noch Dein Bedürfnis nach Wachstum beschädigt werden. Und auch nicht das der anderen. Dies ist eine große Herausforderung. Und ein Weg zur Heilung.

PS.: Liebe im ursprünglichen Sinne ist gefühlte Verbundenheit ohne Bewertungen und Erwartungen und die allseitige Erlaubnis zum Wachstum.

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Ich behaupte: Wenn alle Menschen über die tatsächliche Natur unseres Ichs Bescheid wüssten, wären die meisten persönlichen und globalen Probleme gelöst.

Wir nehmen ständig Bezug auf uns selbst als „Ich“: „Ich habe das gemacht“ „Ich fühle mich nicht so gut.“ „Das ist meine Schuld.“ „Das ist mein Bein.“ „Ich lebe.“ „Ich freue mich.“ „Du hast mich verletzt.“ Und so weiter. Dieses „Ich“ ist so selbstverständlich für uns, dass wir es nicht hinterfragen. Es stellt für uns eine felsenfeste Konstante dar. Wir erleben (fast) unser gesamtes Leben aus der Sicht des Ichs: Hier bin ich und dort sind die Umwelt sowie die anderen. Dabei wird in der Regel mit dem Ich das gemeint, was sich innerhalb unserer Haut befindet und dort empfunden wird.

Das Ich wird als solide Wesenheit betrachtet, die mit dem, was um es herum geschieht und mit anderen Menschen in Wechselwirkung steht. Aber wo ist dieses Ich? Ist es unser Körper? Hat es eine spezielle organische Repräsentation in unserem Nervensystem? Ist es unsere Seele? Ist es ein spirituelles Wesen?

Nein, all dies ist es nicht. Es ist gar kein Wesen, sondern eine Funktion unseres Nervensystems, die unser Überleben auf vielfältige Weise sicherstellen soll. Synchronisierte Gehirnbereiche mit verschiedenen Aufgaben lassen das Ich entstehen. Wird diese Kohärenz durch widersprüchliche Sinneseindrücke, psychogene Substanzen oder Müdigkeit gestört, desintegriert das Ich. Wir sind verwirrt, halluzinieren, schlafen ein oder werden bewusstlos.

Das Ich ermöglicht uns auf der einen Seite ein Selbstbild, ein Weltmodell, eine Vorstellung von Vergangenheit und Zukunft, Beziehungen, Empathie, soziale Strukturen, Kultur und die Planung und Kontrolle unseres Verhaltens. Auf der anderen Seite programmiert es uns. Es begrenzt uns in unserem Verhalten, trennt uns und legt unsere Bewertungen fest. Sein Schutzmechanismus wird oft nicht nur als Zweck, sondern als einzig richtige Verhaltens- und Denkweise interpretiert. Hier liegt die Ursache aller persönlichen, menschlichen und damit auch aller globalen Probleme.

Die grundlegende Aufgabe des Ichs ist die Abgrenzung, um für die eigene Bedürfniserfüllung sorgen zu können und so die eigene Existenz zu sichern. Kommt es bei der Stillung der eigenen Bedürfnisse zur Kollision mit denen der anderen, entfalten sich Konflikte. Das geschieht im Kleinen, in der Paarbeziehung, in der Familie, aber auch im größeren Rahmen, zwischen Kultur- und Glaubensgruppen, bis hin zu den Nationen. Alle Identifikationsmuster tragen das Potenzial in sich, Konflikt mit dem Andersartigen entstehen zu lassen.

Folgendes sollte jedem klar sein: Das Ich ist eine Illusion, ein Gedanke, eine Funktion, eine Vorspiegelung des Nervensystems, und es ist kein Wesen! Wenn Sie durch den Schleier der Selbstbegrenzung hindurchschauen, öffnen Sie sich für die Möglichkeit einer größeren und freieren Realität! Es geht nicht darum, das Ich zu verteufeln, sondern es zu verstehen und seine wahre Natur zu erkennen.

Was ist dann wirklicher als das Ich? Die Einheit. Das Ich kann mit dem Begriff „Einheit“ nur wenig anfangen, denn seine Natur ist die Abgrenzung, bestenfalls hat es eine vage Vorstellung davon. Doch es lässt sich – im positiven Sinne – überlisten. So können wir einen Eindruck dieser grundlegenden Ganzheit gewinnen. Das ist keine spirituelle Spinnerei, sondern unmittelbar und unzweifelhaft erfahrbar.

Das Ich ist immer in diese Ganzheit eingebettet. Wer Kontakt mit ihr hat, wird einen größeren Frieden in sich selbst finden und Abgrenzung, Konflikte und Hass zunehmend als lächerlich erkennen. Eine lebenslange Ich-Identifikation lässt sich nicht sofort aufweichen. Die Verschaltungen in unserem Gehirn sind fest verankert. Interessanterweise steigt das Empfinden von Einheit, je mehr Neuronen in unserem Gehirn mit einer Frequenz von 40 Hz synchron schwingen. Auch hierfür gibt es also eine neuronale Entsprechung.  In diesem Artikel habe ich einen Weg beschrieben, sich der Ganzheit anzunähern.